Anika: gegenseitige Rücksichtnahme

6:30 Uhr, ich werde geweckt vom süßen Klang des Staubsaugers 2 Etagen über mir. Mal wieder.

Teil des Abendlichen zu-Bett-geh-Rituals in der Wohnung über uns scheint es zu sein, die Kinder etwa eine halbe Stunde durch die Wohnung zu jagen. Naja oder zumindest rennen die Kinder jeden Abend durch die Wohnung und schreien dabei, zugegeben, würden die Eltern hinterher rennen, würde es wohl noch anders klingen. Mittags muss natürlich auch gerannt werden und Nachmittags auch, die Kinder brauchen ja Bewegung. Darauf angesprochen heißt es „Nein, das sind wir nicht, ich passe auf dass meine Kinder in der Wohnung ruhig sind. Aber der Staubsauger und das Geschrei über uns!“ Ja, neben dem Staubsauger hören wir das Geschrei auch regelmäßig, haben auch schon hin und wieder überlegt ob man die Polizei rufen muss, weil sie sich die Köpfe einschlagen. Das hat sich auch mal jemand gedacht und hier rückten 10 Uniformierte an, geändert hat sich nichts.

Und die Klavierstunden 3 Etagen über uns? Immerhin ist der Teenager sehr eifrig beim täglichen üben und auch tatsächlich ganz gut, man hört immer gut die Fortschritte, wenn er ein neues Lied lernt.

Der inzwischen wohl ca. 16 jährige Sohn unter uns hat Sonntags öfter mal „Sturmfrei“, das wissen wir, weil dann die Musik gefühlt so laut aufgedreht wird, wie die Anlage es hergibt. Immerhin, es reicht zu klingeln und die Musik geht aus, er traut sich nicht mal die Tür auf zu machen.

Nach einem sehr freundlich formulierten Aushang im Haus (ich weiß nicht, wie Anja es geschafft hat das so nett zu schreiben, hätte ich nicht geschafft), dass man doch bitte zumindest zu den Ruhezeiten den Lärmpegel drosseln könnte, mit konkreten Beispielen wie dem Kindergerenne und dem Staubsauger, wurden wir oft angesprochen, unter anderem auch von jenen in den drei Etagen über uns: „Ja, Sie haben völlig recht! Also die über mir…“ „Stimmt genau, die über mir… !“ Nur scheint niemand zu merken, dass er selber so laut ist, und darauf angesprochen, wird geleugnet und die Schuld weiter geschoben, ändern tut sich nichts, keine Einsicht, keine Rücksichtnahme.

Als wir hier eingezogen sind, lebten hier viele Rentner, es war schön ruhig. Die Hausgemeinschaft war sehr in Sorge, dass hier jetzt ständig Lärm ist, weil wir Studentenpartys feiern. Sie haben wahrscheinlich schnell erleichtert aufgeatmet, wir waren nie Partygänger und ziehen grundsätzlich Ruhe lauter Musik vor.

Jetzt haben wir einen Hund, auch da bekommen wir häufig gesagt, wie ruhig er doch ist, „man hört ihn so gut wie nie, aber die Kinder über/neben/unter mir!“ Über den Hund beschwert hat sich noch niemand. Es stimmt auch, Marek bellt nicht viel, und wenn dann ist es nicht selten jemand der durch den Hausflur poltert oder Glas, gefühlt von ganz oben, in den Müllschlucker wirft, was ihn zu einem empörten bellen, also ein bis drei mal „Wuff“ sagen, bringt. Ich kann ihn da gut verstehen.

Wir sehen zu, dass wir zu den Ruhezeiten nicht staubsaugen und das dann auch möglichst die Waschmaschine nicht läuft, denn wir wissen, beides ist laut und wir wollen niemanden belästigen. Ich mache nur selten schamanische Reisen, bei denen ich trommle, ebenfalls um niemanden zu belästigen, obwohl ich es gern öfter machen würde. Doch inzwischen frage ich mich, warum eigentlich? Warum sollte ich Rücksicht nehmen und nicht die Dinge tun, die ich will, auch wenn es mal lauter ist (natürlich nicht in den Ruhezeiten), wenn es allen anderen völlig egal ist, ob sie andere stören? Warum sollte ich nur zurück- und einstecken, während alle anderen einfach ihr Ding machen?

Ich glaube, ab heute stehen häufiger schamanische Reisen mit Trommelbegleitung auf dem Plan, in der Lautstärke, die mir gefällt, nicht so dass ich hoffentlich ja niemanden störe. Unsere Nachbarn können sich dann ja Ohrstöpsel besorgen, wenn es sie stört, genauso, wie ich es bereits ihretwegen getan habe.

Gegenseitige Rücksichtnahme ist etwas sehr wichtiges, doch wenn es eine Einbahnstraße ist, habe ich darauf allmählich keine Lust mehr.